Mitten in die Coronakrise fallen jetzt Tarifverhandlungen in der Baubranche. Die am vergangenen Dienstag gestarteten Gespräche waren wegen der Pandemie zunächst verschoben worden. Es steht ein zähes Ringen bevor, denn über die Situation am Bau sind Arbeitgeber und Gewerkschaft sehr unterschiedlicher Meinung.
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) fordert 6,8 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 230 Euro im Monat. Zudem sollen die Fahrzeiten zur Baustelle entlohnt werden. „Trotz Corona sind die Auftragsbücher voll“, argumentiert Klaus Michalak, Bezirksvorsitzender der IG Bau Nordhessen.
Auf den Baustellen sei weiter viel zu tun. Im vergangenen Jahr sei laut Statistischem Bundesamt in Kassel der Bau von 587 Wohnungen genehmigt worden – ein Plus von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Davon müssten jetzt auch die Beschäftigten profitieren. „Bauarbeiter sind nicht nur Garanten dafür, dass wir genug Wohnraum haben. Sie leisten in der Krise seit Wochen einen entscheidenden Beitrag dafür, dass die heimische Wirtschaft nicht völlig abstürzt“, so Michalak. Die Gewerkschaft fordere daher ein „kräftiges Lohnplus“. Die Branchen-Verbände lehnen die Forderungen ab. Sie seien in der Krise ein falsches Zeichen, sagt etwa die Bezirksgruppenvorsitzende des Bauindustrieverbandes Hessen-Thüringen für Nordhessen, Anne Fenge. Zum einen habe es bereits 2018 eine kräftige Tariferhöhung um 5,7 Prozent gegeben. Zum anderen sei die Perspektive der Branche ungewiss, die Marge im Baugeschäft gering. „Wir können uns das gar nicht leisten“, so Fenge.
„Forderungen, die im März auf Eis gelegt wurden, acht Wochen später in dieser Krisensituation wieder auf den Tisch zu legen, finde ich schon vermessen“, sagt Thilko Gerke, Vorsitzender des Verbandes baugewerblicher Unternehmer Hessen in Kassel.
Auch Frank Dittmar, Präsident des Verbandes baugewerblicher Unternehmer Hessen, kritisiert die Forderungen der Gewerkschaft scharf. „Die Branche kämpft gerade mit steigenden Kosten, Absagen großer Bauaufträge und einer unsicheren Zukunftsprognose.
Eine deutliche Steigerung bei den Lohnkosten kann die Baufirmen jetzt in ernste Schwierigkeiten bringen und letztendlich auch Jobs kosten.“ Was nütze dem Arbeiter ein Lohnplus von sechs Prozent, wenn er am Ende von Kurzarbeitergeld leben müsse, so Dittmar.
Die zweite Verhandlungsrunde findet am 4. Juni in Berlin statt. nis
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